Malerei

Martin Fausel

 

Zur Ausstellung "Quelle der Erinnerung" im Museum Haus Kasuya, Japan (2008)

 

Vorwiegend Landschaftseindrücke bzw. Landschaftserfahrungen inspirieren Martin Fausel zu seinem unermüdlichen täglichen Schaffen im Atelier. (...)
Beinahe reliefartig wirken seine Bilder, als habe der Zahn der Zeit die Oberfläche geschaffen, als sei sie wie eine reale Landschaft langsam herangewachsen. Doch diese Bilder wurden durch die Hand des Künstlers in einem langen Entwicklungsprozess immer wieder übermalt sowie mehrmals von ihm überdacht, wodurch die Zeit selbst ebenfalls zum Bildgegenstand wird.
In monatelangem, ja sogar jahrelangem Verfahren malt Fausel mit verdünnter Acrylfarbe Schicht für Schicht auf die Leinwand. Durch dieses Schichtenprinzip mit lasierenden, beinahe transparenten Farben strahlen die Werke eine geheimnisvolle Tiefe aus, die den Betrachter in ihren Bann zieht. Um Fausels Schaffen richtig verstehen zu können, ist es nötig, jede Schicht einzeln zu erleben und bis zur allerersten Schicht durchzudringen, deren Formen und Farbigkeit trotz der vielen darüberliegenden Ebenen sichtbar bleiben. Seine endgültige Form erhält das Werk erst durch die Summe aller Schichten, wobei die oberste Schicht den endgültigen Zusammenhalt gibt.
Die Realität wird jedoch nicht fassbar gemacht, wir können die Landschaften nur erahnen, da sie in einer reduzierten und abstrakten Form auf die Leinwand gebracht werden. Geometrische Muster, bewegte Linien durchlaufen wie Wege und Kreuzungen die Gemälde, verdichten sich an manchen Stellen und strukturieren das Werk.
Einen besonderen ästhetischen Reiz bieten Fausels geometrische Bilder, die dem Betrachter vorwiegend als Gitterformationen entgegentreten. Durch das Spiel mit gestufter Farbigkeit scheint es, als ob die Struktur von unten beleuchtet würde. In Gelb-, Rot-, Braun- und auch Blau-Tönen werden uns diese geometrischen „Raster“ vor Augen geführt, die jedoch genauso aus der Landschaft heraus gebildet werden, auf konkrete räumliche Situationen Bezug nehmen und eine geordnete Raumaufteilung demonstrieren. Diese geometrischen Gebilde lassen uns durch „Fenster“ in eine andere Bildebene eindringen und bilden eine eigene Räumlichkeit. Zarte transparente Strukturen überziehen die Gitterformationen. Sie legen sich wie ein sanfter Schleier oder eine Wasserspiegelung über die strengen geometrischen Formen. Die Grenzen zwischen Zwei- und Dreidimensionalität, zwischen Innen und Außen oder Davor und Dahinter werden bei diesen Werken in Frage gestellt.
Wie seine Landschaften sind auch Fausels Köpfe herangewachsen. In demselben altmeisterlichen Schichtenprinzip tauchen vereinfacht dargestellte Köpfe in den sonst monochrom wirkenden Farbflächen auf, des Öfteren in einen gemalten Rahmen gesetzt oder umgeben von weiteren formgestaltenden Elementen. Diese Porträts von real existierenden Personen aus dem sozialen Gegenüber des Künstlers sind ebenfalls vereinfacht, reduziert, abstrahiert und schweben körperlos im Raum. Losgelöst aus ihrem ursprünglichen Zusammenhang werden sie zu einem geometrischen abstrakten Element in der Bildkomposition. Die Köpfe sich vielfach durch eine weitere darüber liegende Schicht geometrisch durchstrukturiert. Schraffuren durchziehen die Köpfe und verleihen Räumlichkeit. Bewegte Linien bilden Augenhöhlen, Mund, gehen jedoch auch über den Kopf hinaus und stellen Verknüpfungen zum weniger dominanten Teil des Bildes her. Was jedoch wie ein spontan entstandenes Linienknäuel wirkt, ist das Ergebnis von akribisch bewusst gesetzten Pinselstrichen. Die durch die vielen verschiedenen Schichten entstandene Farbe gibt zumeist die gesamte Tonart des Bildes an. Nur selten kommen zusätzliche Tonarten hinzu.
Ein weiteres Motiv in Fausels Malerei sind Ellipsenformen, die an mikroskopisch vergrößerte Kleinstorganismen erinnern. Als Landschaftselemente tauchen sie teils autonom, teils monumental vergrößert und zum Bildgegenstand emporgehoben auf, doch finden sie sich auch verkleinert in den „gitterartigen“ Werken und bei den Köpfen.
In Martin Fausels Bildern vollzieht sich eine Entwicklung, sie bilden eine Herausforderung für den Betrachter, der die Gelegenheit bekommt, sich auf eine neue Realitätsebene zu begeben, sich dort mit Formen und Farben auseinanderzusetzen und sich im stillen Gefühl der Harmonie zu verlieren.

 

Johanna Aufreiter, Universität Graz